Ein Jazzhaus für Zürich

Ohne grosse Erwartungen und nur mit spärlichem Vorwissen über das Projekt mache ich mich auf den Weg zum kürzlich eröffneten Jazzhaus, wo ich mit Bettina Uhlmann, der Geschäftsleiterin des Zurich Jazz Orchestras (ZJO) abgemacht habe. Keine fünf Gehminuten vom Limmatplatz entfernt stehe ich schon vor dem neu renovierten Gebäude, in dem bis vor kurzem noch Leuchtmittel hergestellt wurden. Zentraler könnte das Jazzhaus kaum gelegen sein und dennoch ist es erstaunlich friedlich hier in diesem Innenhof, der etwas nach innen versetzt von der trubeligen Langstrasse liegt. Die Türe steht offen und mein Blick schweift über einen wunderschönen, holzverkleideten Innenraum. Das ist also der neue Proberaum des ZJO. Es duftet ganz frisch, alles glänzt. Ein unberührter Raum, in dem sich die Patina erst noch bilden muss. Durch die Fenster fällt Sonnenlicht herein – ein Traum für Musiker:innen, die viel Zeit in düsteren Proberäumen und dunklen Konzertlokalen verbringen.

Ein Hauptkriterium beim Umbau war ein funktionierendes Akustikkonzept, das sowohl Musiker:innen wie auch Anwohner:innen zufriedenstellt. Denn wenn in einem kleinen Raum rund 25 Musiker:innen zusammen proben, wovon ein Grossteil Blasinstrumente spielt, kann es schon ziemlich laut werden. Es wurde deshalb mit möglichst vielen unebenen Flächen gearbeitet, damit der Schall immer wieder gebrochen und nicht von Wand zu Wand hin- und hergeworfen wird. Die Struktur der Holzlättli an der Wand und die Schrägen im Sichtbeton dienen also nicht nur der Ästhetik, sondern auch der Akustik. Der Aufwand hat sich gelohnt, denn nach der ersten Probe sind die Mitglieder des ZJO begeistert – man höre beim Spielen jeden einzelnen Ton, während gegen aussen bei geschlossener Türe wiederum nichts zu hören ist.

Neben dem grossen Proberaum im Keller gibt es auch noch einen oberen Stock, in dem sich ein offenes Büro mit einer Kaffee-Ecke sowie zwei kleine Räume befinden, die zum Einspielen, zum Proben oder zum Unterrichten gebraucht werden können – vom ZJO, aber auch von externen Musiker:innen. Das Jazzhaus wurde zwar für das ZJO konzipiert aber «das Haus soll gebraucht und belebt werden», meint Bettina. Wer also einen Ort mitten in Zürich sucht für eine Bandprobe oder für Musikunterricht kann sich beim Jazzhaus einmieten. Und nicht nur das: Die Räume sind entsprechend eingerichtet, sodass auch Studio-Aufnahmen möglich sind.

Abgesehen von den funktionalen Nutzungsmöglichkeiten soll das Jazzhaus aber auch einfach ein Zuhause sein für das ZJO. Bisher war das ZJO eingemietet, war immer wieder auf der Suche nach geeigneten Räumen. Das war in vielerlei Hinsicht logistisch aufwändig, so mussten beispielsweise die Partituren extern gelagert werden. Sieben Jahre hat es gedauert, bis das ZJO nun einen geeigneten Ort gefunden hat und die Freude darüber ist deutlich spürbar. «Endlich können die Musiker:innen einfach spontan noch ein anderes Stück üben, weil die Partituren im Haus sind. Endlich müssen wir Vorstandssitzungen nicht mehr in irgendeinem Lehrerzimmer abhalten.», so Bettina. Und: Nun können die Musiker:innen auch mal eine Stunde früher kommen, noch in Ruhe etwas essen oder an einem der Bürotische administrative Aufgaben erledigen, die zum Musiker:innenleben eben auch dazugehören.

Das Jazzhaus ist vieles, von Proberaum über Unterrichtslokal bis hin zu Aufnahmestudio und Büroräumlichkeit. Wie genau die Räume und in welcher Regelmässigkeit sie genutzt werden, wie das mit den Aufnahmen und den ganzen Vermietungen funktioniert, das alles muss jetzt erstmal noch getestet werden. Das Einzige, was das Jazzhaus nicht ist, ist ein Konzertlokal. «Es ist schlicht nicht dafür konzipiert. Und es macht keinen Sinn, die anderen Konzertlokale in der Stadt zu konkurrenzieren.», erklärt Bettina. Denn: Veranstaltungsorte gibt es viele, wohingegen Proberäume ein rares Gut sind. Das Jazzhaus soll deswegen ganz dem Musikschaffen gewidmet sein.