Von privaten Schätzen und unerwarteten Gästen

Redaktion Eleonora Bitterli

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Ein Besuch in der aktuellen Ausstellung in der Bechtler Stiftung in Uster gibt Einblick in die Privatsammlungen der Familie Bechtler. Mit The Best, The Rest, and The Unexpected Guests inszeniert die Künstlerin und Kuratorin Lorenza Longhi Werke von den frühen 1960er-Jahren bis in die Gegenwart und ergänzt sie um aktuelle Leihgaben. Ein Blick zurück zeigt, wie sich Sammlungen mit der Zeit verändern – und mit ihnen unser Verständnis von Kunst.

Mit The Best, The Rest, and The Unexpected Guests kuratiert Lorenza Longhi in der Bechtler Stiftung in Uster eine Ausstellung mit Werken aus den Privatsammlungen der Familie Bechtler. Was sonst dem privaten Raum vorbehalten ist, wird nun in den öffentlichen Museumsraum überführt – ein nur scheinbarer Widerspruch. Bereits 1955 wurde mit der Gründung der Walter A. Bechtler-Stiftung die Sammlung über den privaten Rahmen hinaus geöffnet mit dem Ziel, Plastiken im öffentlichen Raum in Zürich zu platzieren. Später folgten mit dem Hotel Castell in Zuoz und dem Zellweger Areal in Uster zwei eigene, öffentlich zugängliche Ausstellungsorte.

Noch vor dem Betreten des Ausstellungsraums verweist Kaspar Müllers Fotografie aus The Weather in Zürich (2014) auf die Sammlungsgeschichte der Bechtlers. Prominent im Bild: Jean Tinguelys Heureka (1964) an der Zürcher Seepromenade. Die Metallskulptur wurde 1964 von Walter Bechtler an der Expo erworben und als Dauerleihgabe der Stadt Zürich überlassen. Das Werk entfachte zunächst heftige Debatten: hässlich, zu gross, eine Schande für Zürich. Erst nach mehrjährigen Diskussionen erhielt Heureka seinen festen Standort am Zürichhorn, von wo sie heute nicht mehr wegzudenken ist.

Im Vorraum sind Werke von Ida Ekblad (Kraken Möbel, 2019), Kaspar Muller (The Weather in Zürich, 2014) und Cédric Eisenring (Puder, 2024) zu sehen. © Flavio Karrer

Die Ausstellung in Uster zeigt einen Querschnitt von Werken aus den 1960er-Jahren bis heute. Auffällig ist Lorenza Longhis kuratorischer Entscheid, den Raum an ein häusliches Setting anzulehnen. Schuhe, Deckenlampe und Stuhl verweisen auf die alltägliche Konfrontation von Sammler:innen mit ihren Objekten. Gleich zu Beginn der Ausstellung steht Katharina Fritschs Skulptur Pudel (1995), der den Blick in den Raum richtet. Als Sinnbild der Domestizierung steht das Tier für die Zugehörigkeit zu Haus und Familie. Was beim Hund selbstverständlich erscheint, wird hier auf die Beziehung zwischen Sammlung und Sammler übertragen.

Ein Interieur nach Gesetzen der Kunst: Katharina Fritschs Pudel (1995), den Blick in die Ausstellung gerichtet. Dahinter, v.l.n.r. Miriam Laura Leonardi, Pair of Shoes (Unisex, Euro Size 35, 41 and 44) (2017), Ruedi Bechtler, Lichtinstallation (2020/2024) und Simon Starling, Ultrasuperleggera (2003). © Flavio Karrer

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Vorstellung vom «Leben mit der Kunst» nicht neu ist. 1982 gewährte die Ausstellung Sammlungen Hans und Walter Bechtler im Kunsthaus Zürich einen intimen Einblick in die private Sammlungstätigkeit der Familie: Über hundert Werke wurden aus Wohn- und Geschäftsräumen ins Kunsthaus überführt. «Wir umgeben uns mit diesen Sachen», wird Walter Bechtler im Katalog zitiert, illustriert durch Fotografien des Wohnhauses in Küssnacht. Doch im Gegensatz zur damaligen Sammlung zeigt die Ausstellung in Uster: Zahlreiche Werke aus dem Katalog von 1982 wurden verkauft, neue Werke erworben, neue Medien kamen hinzu. Doch ein Überbleibsel jener Ausstellung bleibt präsent: Auf der Rückseite des Sockels von Anthony Caros Table Piece CCLXXXII (1976) findet sich ein Etikett der damaligen Präsentation im Kunsthaus.

Ausstellungsgeschichte, dokumentiert auf der Rückseite des Werks: Anthony Caros Table Piece CCLXXXII (1976) war bereits 1982 Teil der Sammlung Bechtler und als solches im Kunsthaus Zürich ausgestellt. © Eleonora Bitterli

In Uster sind Arbeiten aus den 1980er-Jahren bis heute zu sehen, mehrheitlich erworben von der Generation nach Walter und Hans Bechtler. Konzeptuelle Werke wie Anya Gallaccios Small Change (1993), 3000 Schweizer Franken als ausgelegte Fünfrappenstücke, oder Liam Gillicks Contained hopes and dreams of the workers as they walked home from the bar (2005), eine Sandfläche auf dem Boden, zeigen, dass die zeitgenössische Kunst bei den Bechtlers keine medialen Grenzen kennt. Ergänzt werden die Sammlungswerke durch zeitgenössische Leihgaben, wobei sich Lorenza Longhis Unexpected Guests subtil einfügen – ein möglicher Blick in die Zukunft der Sammlung? Die Geschichte der Bechtlers zeigt: Eine Sammlung zeitgenössischer Kunst bleibt nur durch stetige Aktualisierung lebendig. Mit jedem Erwerb beginnt der Alterungsprozess eines Werks – und damit eine neue Auseinandersetzung mit der Zeit.

Bodenarbeiten in der Ausstellung, vorne: Anya Gallaccio, Small Change (1993) und hinten: Liam Gillick, Contained hopes and dreams of the workers as they walked home from the bar (2005). Ebenfalls von Liam Gillick die raumteilende Skulptur Relieved Production Cycle (2007). Im Vordergrund Bernhard Hegglin, 13 (2023). © Flavio Karrer

The Best, The Rest, and The Unexpected Guests ist noch bis zum 21. April 2025 in der Bechtler Stiftung in Uster zu sehen. Im selben Gebäude befindet sich die permanente Installation The 2000 Sculpture von Walter De Maria – mit 50 Meter Länge und 10 Meter Breite eine der grössten Bodenskulpturen weltweit. Wer die Stiftung besucht, sollte zudem einen Spaziergang durch den Zellweger Park unternehmen, wo weitere Werke aus der Sammlung im öffentlichen Raum zu entdecken sind.