Zürich stellt sich seiner kolonialen Vergangenheit

Eine Ausstellung sowie zahlreiche Begleitveranstaltungen in der gesamten Stadt machen blinde Flecken in der Zürcher Geschichte sichtbar.

Wer den Stadtrundgang mit ZH kolonial gemacht hat, sieht Zürich für immer mit anderen Augen. Der Bahnhof Wiedikon: behaust eine Wandmalerei mit kolonialen Stereotypen. Globi: ein Rassist. Die Altstadt: voller Spuren aus der Kolonialzeit, inklusive zahlreicher Verwendungen des M-Worts.

Die Schweiz hatte nie eigene Kolonien. Was nicht heisst, dass sie keine koloniale Vergangenheit hat. Eine, die bis in die Gegenwart reicht. 

Die Stadt Zürich hat sich bereits vor einiger Zeit entschieden, sich der eigenen Kolonialismus-Vergangenheit zu stellen. So sollen beispielsweise die Inschriften zweier städtischer Liegenschaften in der Altstadt abgedeckt werden, da sie durch das M-Wort eine rassistische Wirkung erzeugen. Die Baugesuche sind noch hängig.

Die Ausstellung im Stadthaus

In der ersten Hälfte des laufenden Jahres wird sich die Stadt nun in aller Öffentlichkeit und unter Einbezug zahlreicher Institutionen mit ihrer Kolonialismus-Vergangenheit und -Gegenwart beschäftigen. Im Zentrum steht eine Ausstellung im Stadthaus mit dem Titel Blinde Flecken: Zürich und der Kolonialismus.

In der Ausstellungsbroschüre heisst es, dass zahlreiche Verbindungen in die Kolonien zum Aufstieg der Stadt zur Wirtschaftsmetropole beigetragen haben – und dass die Ausstellung ein grösseres Bewusstsein für diese kolonialen Verflechtungen Zürichs schaffen wolle. Alle Zürcher:innen seien auf die eine oder andere Weise davon betroffen.

Die Vernissage der Ausstellung Blinde Flecken: Zürich und der Kolonialismus ist öffentlich und findet am 19. Januar 2023 ab 19 Uhr statt. Anwesend sind unter anderem die Kurator:innen sowie Stadtpräsidentin Corine Mauch. Die Ausstellung läuft offiziell vom 20. Januar bis 15. Juli 2023 von montags bis samstags.

 

Begleitprogramm in der ganzen Stadt

Ergänzend zur Ausstellung finden in zahlreichen Zürcher Institutionen Veranstaltungen statt, die zur Auseinandersetzung mit den Kolonialismusverflechtungen Zürichs sowie dem Rassismus im Allgemeinen beitragen sollen. Im Anschluss einige Empfehlungen der ersten Programmwochen:

Diskussion um koloniales Erbe eines Museums

Das Museum Rietberg lädt am 8. Februar 2023 zur Kuratorinnen-Führung und Debatte ein: Wie gelangten die Objekte überhaupt ins Museum? Und was heisst das für den Umgang mit ihnen?

Postkoloniales Puppentheater

Die bildende Künstlerin Daniela Ortiz ist bekannt für ihre antirassistischen und antikolonialen Arbeiten mit fantasie- und humorvoller Bildsprache. Mit dem Neumarkt-Ensemble erarbeitete sie in Zürich ein Theaterstück. Premiere ist am 16. Februar 2023.

Stadtrundgang ZH kolonial

Am 4., 11., 18. und 25. März 2023 führt ZH kolonial den eingangs erwähnten Stadtrundgang durch. Abgesehen von diesen Daten ist der Online-Audioguide jederzeit verfügbar.

 

Öffentlicher Antirassismus-Workshop

Antirassismus-Expertin Anja Glover, die die Ausstellung im Stadthaus mitentwickelte, leitet am 6. März 2023 einen Antirassismus-Workshop im Stadthaus. Es geht darum, wo rassistisches Denken anfängt, was Rassismus ist und woher er kommt. Und vor allem auch um die Frage: Was wir dagegen tun können.

«The most disrespected woman»

Am 17. März spricht Yvonne Apiyo Amolo-Brändle (Menschenrechtsexpertin, Fem-Artivistin und Politikerin) mit Dr. med. Fana Asefaw (Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie) und Scotty Williams (reformierten Pfarrer) über die «am meisten missachtete Frau», ein Kunstwerk basierend auf Extended Reality Statements von Schwarzen Frauen in Zürich.

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Karl der Grosse

«The most disrespected Woman» / Die am meisten missachtete Frau

Vortrag und Diskussion zum Kunstwerk im «Stadthaus»

Das vollständige Begleitprogramm:

Das vollständige Begleitprogramm steht hier zur Verfügung.

Von Gabriella Alvarez-Hummel am 12. Januar 2023 veröffentlicht.

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