Jane Mumford, wie beurteilst du das Zürcher Publikum?
Ich finde: Es ist kritisch. Sehr kritisch. Das Publikum auf dem Land ist manchmal viel offener und hat auch mehr Bock zum Lachen als das Stadtzürcher Publikum. Aber da gibt es einen grossen Unterschied zum Open-Mic-Publikum. Dort kommt es eigentlich wirklich nur darauf an, wie betrunken sie sind.
Erklär doch mal: Was ist ein Open-Mic genau?
Jetzt muss ich schnell differenzieren zwischen Open-Mic und offenen Bühnen. Das sind zwei verschiedene Dinge. Open-Mic ist nur für Stand-up-Comedy. Dort testen Comedians ihr Material. Und die offenen Bühnen bedeuten, dass alle kommen können mit irgendwas: singen, jonglieren, eine Geschichte erzählen. Meine Karriere zum Beispiel begann auf einer offenen Bühne.
Wie ist denn das bei Open-Mics: Entscheidet da der Host, wer auftritt und sein Material testen darf?
Nein, bei Open-Mics – und das ist das Spannende – ist das Motto: «First come, first served». Sobald die Liste voll ist, wärs das gewesen. Und das Schöne ist: Es können alle mitmachen. Es muss einen Einstieg geben für Leute, es einfach mal zu probieren. Ohne die Menschen, die solche Open-Mics organisieren und dabei selber kaum etwas verdienen, gäbe es gar keine Nachwuchs-Szene. Das find ich ziemlich kommunistisch-altruistisch-geil.
Gibt es Open-Mics, die du lieber bespielst als andere?
Ich gehe gerne an Open-Mics, bei denen die Auftretenden am Ende noch ein wenig rumhängen und das Hosting gut ist. Ich finde die Gotthard Bar sehr lustig und sie hat eine richtig gute Open-Mic-Atmosphäre. Auch im Kon-Tiki war ich schon oft, da tummelz sich ein geiles Publikum.
Du trittst ja auch auf Englisch auf.
Im Kon-Tiki gibt es beides. Montags auf Deutsch, dienstags auf Englisch. Es gibt so viele Expats in Zürich und das Lustige ist, dass die Leute bei englischen Open-Mics viel schneller lachen als bei anderen. Vielleicht, weil sie das Stand-up-Format schon besser kennen und hingehen, weil sie wirklich Bock haben zu lachen?
Zu Open-Mics gehört ja auch, dass die Comedians mit dem Publikum interagieren. Was ist, wenn ich Angst habe, angesprochen zu werden?
Begleite am besten eine Person, die mega auffällige Kleider trägt und extrovertiert ist … Dann wird man dich höchstens fragen: Bist du mit ihr da?
So wie ich das wahrnehme, wenn ich Open-Mics besuche, sind alle Auftretenden immer sehr nett zueinander. Trügt der Schein?
Wir sind alle auf einer völligen Kamikaze-Mission und das solidarisiert. Weil wir wissen, wir machen jetzt etwas sehr Blödes und es macht ja niemandem Spass, schlecht rüberzukommen.
Was muss man über Comedy wissen, wenn man das erste Mal einen Event besucht?
Man muss wissen, dass es Menschen sind, die eine Meinung haben und die vertreten sie. Das Publikum nimmt Sachen oftmals viel zu ernst. Du wirst halt mit vielen Meinungen konfrontiert, die nicht die deinigen sind, aber sieh es als Chance. Am liebsten würde ich am Ende eines Comedy-Abends alle noch in eine Arena-Diskussion involvieren.
Wohin sollen die Leute gehen, wenn sie das erste Mal Comedy schauen wollen?
Eine Mixed Show! Trotz der miserablen Frauenquote würde ich so einen Stand-up-Abend im Bernhard Theater empfehlen, weil du einfach verschiedene Arten von Profis siehst. Wenn man nicht sicher ist, ob man Comedy mag, dann würde ich eher nicht an ein Open-Mic gehen. Man weiss einfach nicht, was kommt. Es ist ähnlich wie mit Naturwein: Wenn du schon guten Wein kennst, dann kannst du dich auf Naturwein einlassen und es ist spannend.
Was wünschst du dir für die Szene?
Frauen. Es gibt zwar immer mehr, aber es ist echt schwierig, über den Newcomer-Status hinauszukommen. Wenn du so mittelgut bist, wirds einfach schnell zum Boysclub. Ich würde mir in dieser Hinsicht ein wenig mehr Bewusstsein von Organisator:innen wünschen: Anstatt der üblichen Antwort «Ja, aber die sind noch nicht gut genug» könnten sie sagen «Na, dann pusht sie mal!». Alle müssen am Anfang ein wenig gepusht und gehyped werden! Je mehr man mit anderen Profis auftritt, desto mehr kann man von denen lernen.
Und dem Publikum?
Probiert Sachen aus, schaut euch Dinge an, die ihr sonst nie schauen würdet. Probiert mal Kleinkunst, bevor sie stirbt. Es läuft viel Gutes in der Schweiz. Mein Horrorszenario wäre, dass alle nur noch amerikanischen Shit konsumieren und lokale Kultur aussterben würde.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 24.1.2022 und wurde aus Gründen der Aktualität ein weiteres Mal aufgeschaltet.
Titelbild © Remo Buess