Das Tanzfestival gegen Kontaktentzug?

Vielleicht bin ich etwas komisch, aber seit Ausbruch der Pandemie gibt es etwas, das ich sehr vermisse: Menschenmengen. Ja, ich vermisse es, die feuchte Haut von Fremden auf meiner zu spüren, und dass mir jemand anderes in den Nacken hauchen muss, weil wir alle so eng aufeinander stehen. Ich würde gerade sogar das Schlangestehen zum ToiToi in einer nach Urin stinkenden Gasse während des Zürifäschts mit Handkuss zurücknehmen. So desperate bin ich mittlerweile nach einer tanzenden und feierlustigen Meute.

Was dieses Bedürfnis etwas stillen könnte, ist das Tanzfestival «Yeah Yeah Yeah» in der Roten Fabrik. Nach einer 30-monatigen Pause kommt es Ende Januar zurück und macht sich dabei das Verlangen nach Körperkontakt zum Thema. Klar, es wird nicht gerade auf eine wilde Tanzorgie à la Streetparade herauslaufen. Vielmehr sind es fünf unterschiedliche Performances über neun Abende verteilt, die den Bewegungsfetisch konzeptionell auf die Bühne bringen. Zum Beispiel thematisieren Choreograf Chris Leuenberger und Regisseur Marcel Schwald in «Touch Isolation» das traditionelle Männerbild, welches Jungen von klein auf lehrt, dass zärtliche, platonische Berührungen mit anderen Jungs als homosexuell gelesen und somit vermieden werden müssten. Ilona Kannewurf wiederum tanzt in «When You Move Like That» in Zusammenarbeit mit Autor Guy Krneta den Werdegang eines schwarzen Mädchens, das in der Ostschweiz der 90er-Jahre aufwächst. Von Hodworks aus Ungarn hält uns den Spiegel zur gesellschaftlichen Selbstreflexion hin und das belgische Collective Dope zeigt den Stand der modernen Begegnung auf, seit wir uns durch Social Media ganz anders näherkommen als noch davor. Den Kick-Off macht «Tanzfaktor», welches jungen Schweizer Choreograf:innen die Bühne freigibt und einen Einblick ins aktuelle Tanzschaffen gewährt.

Somit lohnt sich ein Besuch am «Yeah Yeah Yeah» für alle, die auf gesellschaftskritische Performances stehen. Und wer dem Kontaktentzug zusätzlich etwas entkommen möchte, findet dort bestimmt andere, denen es zumindest gleich ergeht.