Mein erstes Mal ... im Strauhof

Redaktion Nora Kehli
Redaktion Nora Kehli

Von künstlerischen Begegnungen, menstruierenden Eistänzerinnen und Bela B., der aus Comics von Liv Strömquist vorliest.

Ich laufe bei 30 Grad durch die Altstadt. Mir steigt die Hitze langsam zu Kopf. Endlich erreiche ich mein Ziel: das Literaturmuseum Strauhof. Das barocke Bürgerhaus ist als Museum nicht augenscheinlich erkennbar – wäre da nicht das riesige Schild, auf dem in grossen Buchstaben Strauhof steht. Drinnen erwartet mich meine ersehnte Abkühlung, das Gebäude ist klimatisiert und ich kann wieder einen klaren Gedanken fassen.

Gleich neben der Kasse beginnt die Ausstellung «litafrika – Artistic Encounters», die 16 zeitgenössischen Kulturschaffenden aus Afrika gewidmet ist. Zunächst lese ich ihre Biografien durch. Mit dem Lesen hat es sich aber dann auch schnell erledigt, denn im Mittelpunkt stehen die Begegnungen zwischen aktuellen Romanen und künstlerischen Ausdrucksformen. Kurzum: Acht Prosaauszüge werden in Bilder, Performances oder Musik übertragen. Während ich etwa höre, wie Kuratorin Zukiswa Wanner aus dem Roman Critical But, Stable von Angela Makholwa vorliest, sehe ich auf Video, wie der Maler Michael Soi ein farbenprächtiges Gemälde anfertigt. Als Novizin der afrikanischen Gegenwartsliteratur und Kunstszene eröffnen mir die Kollaborationen unterschiedliche Perspektiven auf das zeitgenössische Afrika.

Nach diesen mannigfaltigen visuellen und auditiven Eindrücken gehe ich ein Stockwerk hoch. Die Ausstellung «Fruits of Knowledge» der schwedischen Comic-Künstlerin Liv Strömquist beginnt mit einem historischen Exkurs in die fast vergessene Tradition des Entblössens weiblicher Geschlechtsteile; mir werden eine Vielfalt an Vulvadarstellungen vorgeführt. Ich erfahre, dass die heute weitgehend verborgene Vulva in der Kulturgeschichte eine prominente Rolle einnimmt. Ihr wurden sogar magische Kräfte nachgesagt, zum Beispiel den Teufel zu vertreiben. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Serie The Night Garden, die menstruierende Eistänzerinnen abbildet und in Strömquists Heimat Kontroversen auslöste. Dass etwas so Natürliches für Polemik sorgt, erscheint mir sehr absurd. Strömquist hat ein Talent dafür, Absurditäten rund um Geschlecht und Sex mit viel Witz und fundiertem Hintergrundwissen offenzulegen – so dass man die Ausstellung nicht wütend, sondern eher amüsiert über das fragile männliche Ego verlässt.

Mit zahlreichen Illustrationen und einer Reihe von Videos, in denen Komikerin Hella von Sinnen oder Punkmusiker Bela B aus Strömquists Werken lesen, ist auch diese Ausstellung nicht nur auf die reine Lektüre ausgelegt. So erweist sich das Literaturmuseum ebenso als Ort für Menschen, die sich nicht unbedingt als Bücherwurm bezeichnen würden. Es wird sicher nicht mein letztes Mal im Strauhof sein.

Liv Strömquist – Fruits of Knowledge

Strauhof

Liv Strömquist – Fruits of Knowledge

Satirisch, scharfsinnig, mit einem lustvoll expressiven Strich: Liv Strömquist ist die einflussreichste feministische Comic-Autorin der Gegenwart.

Dauerausstellung

Zürich

Halbzeit «litafrika»

Strauhof

Halbzeit «litafrika»

Christa Baumberger (Litar) und Rémi Jaccard (Strauhof) über die Ausstellungstrilogie

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Von Nora Kehli am 10. August 2023 veröffentlicht.

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