Wie Afrobeats in Zürich Inklusion vorantreibt

Redaktion Laura Tenchio
Redaktion Laura Tenchio

Das populäre Genre aus Westafrika erobert die Welt – und auch Zürich kann nicht mehr stillstehen. Was der Hype gerade zur Inklusion beiträgt.

Normalerweise höre ich kein Radio, weil ich lieber «meine» vom Algorithmus bestimmte Musik anstatt des Mainstreams höre. Heute kam es aber doch dazu, dass fast den ganzen Tag lang ein Tab zur Webseite von einem der grössten Radio-Sender der Schweiz offen war. Und entgegen meiner Annahme bekam ich dort überraschend oft Afrobeats abgespielt: Heisst das, dass das populäre Genre aus Westafrika nun im eurozentrischen Mainstream angekommen ist? Der nigerianische Künstler Burna Boy gewann schon 2019 den ersten BET Award als bester internationaler Act. Dennoch scheint es eine globale Pandemie und Features von Mainstream-Künstler wie Ed Sheeran, Selena Gomez und Justin Bieber gebraucht zu haben, bis auch Afrobeats-Grössen wie Wizkid, Tems oder Rema ins Radioprogramm aufgenommen wurden. 

Auch scheint das Musikangebot an Zürcher Festivals und Clubs geshiftet zu haben. Mittlerweile findet man fast wöchentlich eine Afrobeats-Party – Sei es im Mascotte, Aura, Moods, Kaufleuten, Longstreet, Gonzo, in der Kanzlei, im Hard One oder bei The Urban in Zürich. Und auch in Winterthur gibt’s neben Afro-Pfingsten auch im Red Lion oder Albani regelmässig Musik mit Texten auf Igbo, Yoruba oder Twi auf die Ohren.

Eines der Afro-Festivals besuchte ich mit Freunden Ende Juni in Wollishofen. Ayan hatte mir eine Videonachricht an unsere damals verhinderte Freundin Favour in Auftrag gegeben und rief dann in die Aufnahme: «Faaave, so viele Schwarze auf einem Fleck hast du in der Schweiz noch nie gesehen, ich schwör's!» Ayan ist mittlerweile seit fünf Jahren in Zürich, was sie meistens mit «länger als anfangs gedacht» ergänzt, wenn es mal wieder zum Thema kommt. Davor lebte sie mit ihrer Familie in London, wo ihre somalisch-jemenitische Herkunft kaum kommentiert wird. Hier ist es etwas anders. «Es ist einfach so, dass jede:r, der nicht schweizerisch oder weiss ist und sich integrieren muss, manchmal die eigene Identität verliert» erzählt sie mir später, als ich sie nochmal auf ihre Reaktion auf das Afro Summer Jam anspreche. Und wenn man keine Leute sähe, die einem ähnlich sind, fange man an, sich zu fragen: Wo sind die? «Diese Frage habe ich mir gestellt, seit ich hier angekommen bin», sagt sie weiter. Aus diesem Grund freue sie sich über Events, wo die afrikanische Kultur im Zentrum steht.

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Dabei ergeht es nicht nur Ayan so. Tatsächlich treffe ich seither immer wieder auf junge Schwarze Personen, die mir unabhängig voneinander erzählen, wie sehr sie sich über die neuen Afrobeats-Events in Zürich freuen. «Früher hatte es mehr weisse an Afro-Partys. Das hat mich erst gekränkt, da ich gehofft hatte, an diesen Events endlich auf mehr Schwarze zu treffen», erzählt mir Yerra, a, der vor 6 Jahren aus Gambia nach Zürich gekommen ist. Warum das früher so war, kann ich nicht abschliessend klären. Vielleicht bleiben einige einfach lieber dem Nachtleben fern, um der Diskriminierung auszuweichen. Dass Schwarze und People of Color vor Clubtüren immer wieder Rassimus erleben, ist kein Geheimnis.

«Im Gegensatz zum Rest der Welt hat die Schweiz im Allgemeinen die Schwarze Kultur noch nicht im gleichen Masse aufgenommen», sagt Brian, der für seinen Master in Management und Recht aus Simbabwe hergezogen ist. Als ich ihn vor ein paar Monaten kennenlernte, hatte er gerade seine letzten Prüfungen geschrieben. Das musste natürlich gefeiert werden. «Ich denke, dass wir an einem Punkt angelangt sind, an dem die Schwarze Kultur langsam akzeptiert und von der Schweizer Gesellschaft geschätzt wird. Das bedeutet aber meiner Meinung nach nicht, dass die Schwarzen mehr geworden sind, sondern nur, dass sie weniger unsichtbar sind.» Dem Reiz der Schwarzen Kultur könne sich nämlich auch die Schweiz im Moment nicht mehr entziehen, elaboriert Brian.

Könnte sich also die Sichtbarkeit und Akzeptanz von Schwarzen nun ändern, wenn Afrobeats Mainstream wird? Yerra findet zumindest, dass er heutzutage im Ausgang viel eher auf Afrikaner:innen träfe als früher. Und das, weil Zürich endlich auch eine ganze Palette aus seiner Kultur zu bieten hätte. Und tatsächlich: Durch die vielen Afrobeats-Partys stehen heute auch mehr Schwarze DJs hinter den Decks oder werden in die Party-Organisation miteingebunden, als dass das vielleicht an Techno-Partys der Fall ist. Das könnte die Sensibilität in Bezug auf Rassismus im Nachtleben erhöht haben und dadurch zu mehr Safe Spaces für Schwarze geführt haben.

Yerra, sowie auch Brian und Ayan sind dem Boom zuletzt dankbar, denn dadurch fühlen sie sich in der Schweiz etwas mehr gesehen – auch wenn es erst ein kleiner Schritt in Richtung Inklusion ist.

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Von Laura Tenchio am 08. September 2022 veröffentlicht.

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